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Peer-Education in der Schule zur Förderung von Medienkompetenz

Peer-to-Peer-Projekte (P2P-Projekte) haben nicht nur in der offenen Jugendarbeit, sondern auch an Schulen Konjunktur und gewinnen im Bereich der Medienbildung und -erziehung zunehmend an Bedeutung. Was sich hinter dem Konzept der Peer-Education verbirgt, auf welchen Theorien der Ansatz beruht und welche Ziele damit verfolgt werden, veranschaulicht der folgende Artikel.

Darüber hinaus wird auf Ziele, Inhalte und Formate medienpädagogischer P2P-Projekte eingegangen und anhand von Praxis- und Methodenbeispielen veranschaulicht.

Erklärvideo P2P-Projekte

Peer-Education – Pädagogisches Konzept

Das Konzept der Peer-Education bezeichnet die Wissensweitergabe an Jugendliche durch Gleichaltrige im Sinne eines Informations- und Erfahrungsaustauschs. Es geht davon aus, dass Peers (engl. peer: Gleichgestellter, Ebenbürtiger) einen besonders großen Einfluss auf Jüngere und Gleichaltrige haben. Heranwachsende werden als wichtige Gesprächspartner angesehen und fungieren für andere Jugendliche als zentrale Identifikationsfiguren.

Besonders für Jugendliche ist die Peergroup eine wichtige Sozialisationsinstanz, die die Familie nicht nur mit Blick auf die Freizeitgestaltung, sondern auch hinsichtlich der kulturellen Lebensführung und der sozialen Orientierung in vielen Bereichen als zentrales Bezugssystem ersetzt. Die Peergroup weist einen unmittelbaren Bezug zur alltäglichen Lebenswelt auf. Zudem wird ein gegenseitiges Lernen von Schülerinnen und Schülern aufgrund einer gemeinsamen Werte-und Handlungsbasis meist eher angenommen als eine Vermittlung durch Lehrkräfte. Rat- oder hilfesuchende Heranwachsende wenden sich daher oftmals eher an Gleichaltrige, um in einem zwangloseren Rahmen über Erlebnisse oder Probleme zu sprechen.

Das Konzept der Peer-Education und die Wirksamkeit von Peerbeziehungen im Jugendalter basieren auf folgenden theoretischen Ansätzen:

Der Didaktiker Jean-Pol Martin charakterisiert das Lernen durch Lehren als eine handlungsorientierte, konstruktivistische Unterrichtsmethode. Schülerinnen und Schüler lernen, indem sie ihre Mitschülerinnen und Mitschüler arbeitsteilig im Klassenverband unterrichten und sich den Stoff gegenseitig vermitteln.

Bereits Jean Piaget, Pionier der kognitiven Entwicklungspsychologie, bezeichnete eine gleichberechtigte Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen (Peer-Interaktion) als entscheidende Instanz der sozial-kognitiven Entwicklung, d. h. als Möglichkeit zur Entwicklung gegenseitigen Verstehens und moralischer Urteilsfähigkeit.

Nach der kognitiven Theorie des sozialen Lernens bzw. dem Beobachtungs- bzw. Modelllernen des Psychologen Albert Bandura kann z. B. ein erfahrener Freund im Rahmen sozialer Interaktion als Modell und Vorbild fungieren und imitiert werden.

Die Motivationstheorie geht davon aus, dass Jugendliche eine höhere Lernmotivation haben, wenn das Gelernte für ihr Leben relevant ist oder sie merken, dass sie mit dem Wissen anderen helfen können.

 

Peer-Education

Peer-Education, auch Peergroup-Education genannt, ist ein Mitte der 1970er Jahre in den Vereinigten Staaten und England entstandener pädagogischer Ansatz, der besonders in der Gesundheits- und Sexualerziehung, aber auch zur Prävention von Drogenkonsum praktiziert wird.

Peer-Education in der Medienbildung

Jugendliche, die Gleichaltrigen etwas vermitteln, tun dies „auf Augenhöhe“ und hierarchiefrei, sie wissen um jugendspezifische Umgangsformen, haben ähnliche Medienerfahrungen und können somit authentisch agieren und leichter Vertrauen aufbauen. Darüber hinaus wachsen Kinder und Jugendliche heute ganz selbstverständlich in einer digitalisierten Welt auf. Daher haben sie oftmals einen Wissensvorsprung vor den Erwachsenen, wenn es um Fragen, Tools und Techniken rund ums Internet oder das Smartphone geht.

Peer-to-Peer-Projekte eröffnen Jugendlichen die Möglichkeit zur Teilhabe und Mitgestaltung. An immer mehr Schulen gestalten Jugendliche für gleichaltrige oder jüngere Mitschülerinnen und Mitschüler kleine Unterrichts- oder Lerneinheiten (Peer-Tutoring). Sie treten beratend als erste Ansprechpartner bei Problemen wie Cybermobbing oder Internetsicherheit auf (Peer-Counseling) oder unterstützen als Streitschlichterinnen und Streitschlichter bei der Lösung von Konflikten (Peer-Mediation). Im Bedarfsfall wenden sie sich an eine Lehrkraft, die dann auf professionelle Unterstützungsangebote verweist.

Tutorinnen und Tutoren, die sich in ein Peer-to-Peer-Projekt einbringen, sind jedoch in der Regel (pädagogische) Laien. Peer-Education ist kein Selbstläufer und muss daher von der Schule gut vorbereitet, kontinuierlich begleitet und reflektiert werden. Die Lehrkraft wird zum Lernbegleiter bzw. Coach und den Tutorinnen und Tutoren wird zunehmend mehr Gestaltungsfreiraum zugesprochen.

Vor diesem Hintergrund bietet die Ausbildung der Peers in informellen, aber auch in formellen Lernkontexten wie der Schule eine große Chance zur Förderung von Medienkompetenz.

Bei der Integration von Peer-Projekten in der Schule kommt es jedoch nicht selten zu einem Spagat, da sich aus dem Erziehungsauftrag der Schule gespeiste pädagogisch gesetzte Ziele und die Eigenverantwortung der Peers gegenüberstehen. Hier müssen daher informelle Lernprozesse in den Vordergrund rücken und eine Verzahnung zwischen informellem Austausch Jugendlicher und organisierten Prozessen innerhalb der Institution Schule angebahnt werden.

Darüber hinaus kann peerbasierte Medienkompetenzförderung Partizipation und Einfluss auf Beziehungskonstellationen der Akteure innerhalb einer Schule ermöglichen.

Live am Smartphone zeigt der Medientutor seinen Tutees wichtige Einstellungen.

Hinweis

Medienpädagogische Peers werden in der Praxis auch als
Medientutoren, Medienscouts, Medienmentoren oder CyberScouts bezeichnet.

Ziele der Peer-Education

Peer-Education findet in der Regel in einem informellen Rahmen statt. Peer-Education-Strategien zielen auf die Vermittlung von Informationen, Sach- und Fachkompetenzen. Jugendliche sollen in die Lage versetzt werden, ihr Wissen, ihre Vorurteile und Vermutungen hinsichtlich spezifischer Thematiken, z. B. Medien, verstärkt zu hinterfragen und gegebenenfalls eine Einstellungs- oder Verhaltensänderung zu vollziehen.

Gleichaltrige werden im Rahmen eines Tutorensystems durch gleichberechtigte Mitglieder informiert, aufgeklärt und unterrichtet, wobei das Prinzip der Freiwilligkeit maßgeblich ist. Beim Peer-Tutoring sind die Rollen zwischen den Unterrichtenden (Tutorinnen und Tutoren) und den Unterrichteten (Tutees) streng getrennt und die Inhalte klar definiert.

Peer-Education-Konzepte flankieren die schulische Medienbildung und systematische Medienkonzeptarbeit und holen die Schülerinnen und Schüler dort ab, wo sie stehen.

Ziele von Peer-Education-Projekten, von denen vor allem die Tutorinnen und Tutoren profitieren, sind:

  • die Förderung der eigenen Persönlichkeit, der Zuwachs von Selbstwert, Ich-Stärke und Autonomie,

  • die Entwicklung allgemeiner Lebenskompetenzen sowie von Ressourcen zur Stress- und Konfliktbewältigung,

  • die Stärkung sozialer Kompetenzen, wie z. B. der Team- und Kritikfähigkeit sowie der Empathie,

  • die Förderung kommunikativer, rhetorischer Fähigkeiten,

  • die Entwicklung von Beratungs- und Methodenkompetenz und schließlich

  • eine Prävention sowie anvisierte Verhaltens- und Einstellungsänderungen bei den Peers und ihren Tutees.

Chance

Peer-Education-Strategien bieten die Möglichkeit, Jugendliche in ihrer Gesamtheit zu stärken. Sie qualifizieren für lebenslanges Lernen und den Umgang mit herausfordernder Situationen in Schule, Ausbildung und Beruf.

P2P-Projekte – Ziele, Inhalte, Formate

Bei einer peerbasierten Medienkompetenzförderung werden Ansätze der Peer-Education mit Konzepten zum Erwerb von Medienkompetenz verknüpft. Peerbasierte Projekte zur Förderung von Medienkompetenz lassen sich sowohl in der Schule als auch in der außerschulischen Jugendarbeit umsetzen und werden meist mit Konzepten der aktiven Medienarbeit verknüpft.

Speziell geschulte medienpädagogische Peers sind Spezialisten im Umgang mit (digitalen) Medien. Sie setzen sich mit den Vorteilen und Gefahren der Mediennutzung auseinander und lernen diese kompetent einzuschätzen und dementsprechend aufgeklärt zu handeln.

Sie erweitern nicht nur ihre eigene Medienkompetenz sowie ihr Wissen, ihre Handlungsmöglichkeiten und ihr Reflexionsvermögen für eine sichere, kreative und verantwortungsvolle Mediennutzung, sondern geben diese auch in Form von Informations- und Beratungsangeboten an Gleichaltrige weiter. Dabei wird ein Multiplikatoreneffekt angestrebt.

Zu den Aufgaben der Medientutorinnen und Medientutoren gehören in der Regel

  • die Beratung von Gleichaltrigen bei medienbezogenen Fragestellungen,

  • die Mitgestaltung von Projekttagen und Unterrichtsstunden zu medienerzieherischen Themen wie z. B. „Handynutzung“, „Datenschutz und Urheberrecht“, „virtuelle Spielwelten“ oder „Cybermobbing“,

  • die Mitgestaltung von Elternabenden zu medienpädagogischen Fragestellungen,

  • die technische Unterstützung der Lehrkräfte beim Medieneinsatz im Unterricht.

Bevor die Jugendlichen ihre Aufgaben ausüben können, benötigen sie eine spezielle Ausbildung bzw. Schulung. Dazu zählen die Auseinandersetzung mit den Zielen und Grenzen des Peer-Ansatzes, mit gruppendynamischen Problemen und den eigenen Norm- und Wertvorstellungen ebenso wie der Erwerb von Trainingsstrategien, Leitungskompetenzen sowie die Erprobung von Methoden.

Die Lehrkraft übernimmt dabei vor allem eine organisierende, moderierende und unterstützende Rolle.

Es existieren verschiedene Formate von Peer-to-Peer-Ansätzen, bei denen Jugendliche ihr Wissen und ihre Fähigkeiten an andere Heranwachsende weitergeben.

Die Gestaltung der Peer-Education bzw. des Peer-Tutorings ist abhängig von den Zielen, den Zielgruppen, der zur Verfügung stehenden Zeit und weiteren Rahmenbedingungen.

Idealtypisch sieht ein Peer-Education-Prozess vor, dass sich Jugendliche zunächst medienpädagogische Inhalte erarbeiten. Dies kann z. B. im Rahmen einer Arbeitsgruppe, eines Wahlkurses/Wahlfachs, eines P-Seminars oder eines Projekttages geschehen. Dabei greifen sie auf Ansprechpartner und Angebote zurück, die das nötige Wissen zu einem bestimmten Thema haben. Hierzu werden oftmals Lehrkräfte, Erwachsene oder Medien herangezogen. Inhalte und Abläufe werden gemeinsam initiiert, jedoch wird die Ausgestaltung in die Hände der Tutorinnen und Tutoren gegeben. Abgesehen von der Organisation der Multiplikatorenschulung wird weitere Unterstützung der begleitenden Lehrkräfte bei Bedarf geleistet.

Alternativ können Schulungen der Tutorinnen und Tutoren von erfahrenen medienpädagogischen Referentinnen und Referenten oder von zuvor geschulten Lehrkräften durchgeführt werden, wobei jede Einrichtung mit ihren Projekten unterschiedliche Schwerpunkte setzt. Neben diversen lokalen P2P-Initiativen existieren darüber hinaus in einigen Bundesländern landesweite Projekte peerbasierter Medienkompetenzförderung.

Über den Themenschwerpunkt

Der mebis-Themenschwerpunkt „Medienpädagogische P2P-Projekte“ entstand im Rahmen eines ISB-Arbeitskreises im Schuljahr 2019/2020 und stellt Methoden, Inhalte und Beispiele zur peerbasierten Medienkompetenzförderung vor.

Die folgenden Beiträge unterstützen Lehrkräfte dabei, medienpädagogische Peers an der Schule auszubilden und zu befähigen, mit Gleichaltrigen zu arbeiten – von den ersten Entscheidungen über die Ausbildung und das Tutoring bis hin zur Durchführung des Peer-to-Peer-Projekts anhand veranschaulichender Praxis- und Methodenbeispiele.

Die hier aufgeführten Methoden und Ausbildungsinhalte des Themenschwerpunkts „Medienpädagogische P2P-Projekte“ haben sich im Schulalltag bewährt und können bei Bedarf gemischt und kombiniert werden, um eigene Konzepte zu entwerfen und zu realisieren.

Redaktion des Themenschwerpunkts

Redaktion

Referate Medienerziehung und Mediendidaktik der Medienabteilung am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB)

Beiträge

Referate Medienerziehung und Mediendidaktik (ISB) sowie Mitglieder des ISB-Arbeitskreises „Medienpädagogische P2P-Projekte“

Autorinnen und Autoren

Dr. Vera Haldenwang (ISB)
Maximilian Auburger (ISB)
Brigitte Greiner
Katharina Kaiser
Doris Königer-Schmid
Michael Schmid
Sebastian Schnurrenberger
Doris Sippel
Tanja Sixt
Birgit Zimmermann

Weitere Beiträge

Alle ansehen (13)
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